Am
Samstag, 15. Juni 2002 trafen sich 6 VEE-Mitglieder um unter der fachkundigen Führung
von Gernot Frädrich die beiden Stellwerke in Holzminden zu besichtigen.
Doch
zunächst einige Informationen zum Bahnhof Holzminden und der geschichtlichen
Entwicklung:
Die
Stadt an der Weser war zunächst Endpunkt der Braunschweigischen Staatsbahn
Helmstedt - Kreiensen – Holzminden mit dem End-km 150,5. Diese Strecke wurde
am 10.10.1865 in Betrieb genommen und hatte ein eigenes Bahnhofsgebäude aus
hellem Sandstein sowie eigene Lokbehandlungsanlagen und Ringlokschuppen.
Aus dem Bahnknotenpunkt Altenbeken (km 0,0) erreichte im Jahre 1865 die Westfälische Eisenbahn über Ottbergen und Höxter mit der Weserbrücke beim Kloster Corvey zunächst nur die Landesgrenze bei Lüchtringen. Die Verbindung bis Holzminden (km 48,9) wurde von der Braunschweiger Staatsbahn erst 1868 hergestellt
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DB-Streckenkarte
von 1984 mit den KBS-Nummern, die bis 1992 gültig waren.
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Eine weitere Strecke ist die 1876 in Betrieb genommene Bergisch-Märkische Eisenbahn Gesellschaft (Elberfeld) Aachen – Holzminden über Scherfede (mit der Weserbrücke bei Fürstenberg), die nach 333 km Holzminden endet.
Ab
1879 wurde zunächst die Kreienser Strecke und ab 1882 auch die Aachener Strecke
von der Preußischen Staatsbahn übernommen, die dann ab 1920 in die Deutschen
Reichsbahn übergingen. Alle Strecken hatten bis zum Kriegsende 1945 große
Bedeutung im Ost-West-Verkehr und waren zweigleisig in Betrieb.
Am
2. Juni 1984 fuhr der letzte Reisezug (E 2942 Braunschweig – Köln) auf
der KBS 249 von Holzminden nach Scherfede. Nach einigen Jahren mit Restgüterverkehr
wurde die Strecke 1995 ganz aufgegeben.
Verblieben
ist die Strecke Kreiensen – Holzminden – Höxter – Ottbergen die infolge
der Vereinigung der beiden deutschen Bahnen seit 1992 mit der KBS-Nr. 355 geführt
wird. Verbunden mit umfangreichen Umbaumaßnahmen ist die Strecke seit dem Jahr
1991 nur noch eingleisig. Ein längerer 2gleisiger Kreuzungsabschnitt ist jedoch
noch zwischen Vorwohle und Stadtoldendorf vorhanden.
Als
Folge der Bahnreform von 1996 bestellen die Verkehrsgesellschaften der Länder
den Regionalverkehr auf der Schiene. In Niedersachsen fahren die Triebwagen auf
Bestellung des VSN (Verkehrsverbund Süd-Niedersachsen) im 2-Std.-Takt von
Braunschweig bis Holzminden. Dort ist heute wieder wie vor 134 Jahren eine Länder(bahn)grenze.
Nach Paderborn und z.T. weiter bis Bielefeld lässt der westfälische
Nahverkehrsverbund Paderborn / Höxter (nph) die Züge stündlich fahren. Weil
aber die Taktzeiten so unterschiedlich sind, bleiben die Züge bis zu 30 Minuten
in Holzminden stehen, um dann mit anderer Zugnummer weiterzufahren oder auch
nicht, je nach Triebwagen-Umlaufplan. Die
Sache ist auch für geübte Bahnreisende nicht immer gleich zu durchschauen.
Hilfreich sind manchmal nur die Durchsagen des Triebfahrzeugführers, wenn er
sie denn macht.
Bahnhöfe
Die Bergisch – Märkische Eisenbahn baute ihr eigenes Empfangsgebäude aus rotem Wesersandstein sowie Lokschuppen und umfangreiche Gleisanlagen. Dieses Bahnhofsgebäude wird heute noch (wenn auch nur mit wenigen Räumen) von der Bahn genutzt. Eine Gaststätte mit Kiosk ist auch noch vorhanden. Das ehemals Braunschweigische Gebäude im östlichen Bahnhofsbereich ist noch sehr gut erhalten. Wahrscheinlich jedoch nur, weil es schon seit etlichen Jahren verkauft ist und für verschiedene private Büros genutzt wird.
Die beiden Ringlokschuppen sind noch vorhanden, Drehscheiben und Gleise dazu jedoch nicht mehr. Der Lokschuppen neben dem Bahnhof ist heute Depot des Busunternehmens RBB. Der andere Schuppen dient noch als Lager.
Aufgrund
der umfangreichen Bahnanlagen und des eingeschränkten Aktionsradius gab es früher
etliche Stellwerke. Mit der Verschmelzung der Länderbahnen zur Deutschen
Reichsbahn wurden auch die Betriebsabläufe mehr zentralisiert. Durch den
weiteren technischen Fortschritt konnte auch die Zahl der Stellwerke reduziert
werden. Heute sind noch das Fahrdienstleiterstellwerk Holzminden West (Hwf) im
Ausfahrtbereich Richtung Höxter und das Wärterstellwerk Holzminden Ost (Ho)
im Ausfahrtbereich Richtung Kreiensen in Betrieb.
Wärterstellwerk
„Ho“
Fahrdienstleiterstellwerk „Hwf“
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Stellwerk
„Ho“
Hierbei handelt es sich um ein Wärterstellwerk, was bedeutet, dass alle Handlungen, die über das Weichenstellen hinausgehen (Fahrstraßen festlegen und Signale stellen), eines Befehles oder der Zustimmung des Fahrdienstleiters auf dem Stellwerk Hwf benötigen. Außerdem werden von diesem Stellwerk die Schranken des stark frequentierten Bahnüberganges im Zuge der Wilhelmstraße von Hand bedient. Der Wärter muss dabei beachten, das die Schranken rechtzeitig geschlossen werden, um dann Ein- oder Ausfahrtsignal freizugeben
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„Ho“ ist ein rein mechanisches Stellwerk und mit seiner technischen Ausrüstung aus dem Jahr 1905. Ein Bautyp, der sehr weit verbreitet war und immer noch an manchen Nebenstrecken zu finden ist. Die Weichen werden mittels Stellhebel und langer Seilzüge betätigt, was sehr kraftaufwendig ist. Unterhalb der Hebelbank befindet sich der Spannwerksraum in dem die Seile zu den Weichen und Signalen gespannt werden. Über Umlenkrollen werden die Seile auch zu dem weiter entfernten Einfahrsignal aus Richtung Stadtoldendorf sichtbar entlang des Streckengleises geführt.
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Stellwerk „Hwf“
Dieses in der Reiterbauart errichtete Gebäude aus dem Jahre 1947 befindet sich im Ausfahrbereich Richtung Höxter inmitten des Gleisfeldes. Technisch weiterentwickelt ist die elektromechanische Bedienung.
Die Weichen und Signale werden über Ausziehknöpfe für Weichen (blau) und Signale (rot), die in langer Reihe am Stellwerkspult angebracht sind, elektrisch betätigt. Elektromotoren bewegen die Weichen und Signalantriebe.
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Der Fahrdienstleiter führt über Telefon die Zugmeldungen mit den benachbarten Zugmeldestellen Höxter und Stadtoldendorf durch. Dem Stellwerk „Ho“ gibt er die Anweisungen und erteilt die Befehle zur Festlegung der Fahrstraßen und zum Stellen der Signale. Außerdem ist er für den Betrieb des kaum noch genutzten Ablaufberges und der Rangiergleise zuständig.
Für beide besichtigten Stellwerke gilt, dass man sich die Lage der Weichen im Bahnhof anhand des Bahnhofsplanes einprägen muss, da sich die Bedienelemente anders als bei den moderneren Stelltischstellwerken in Drucktastenrelais-Technik nicht in logischer Anordnung befinden.
Auf dem Stellwerk befinden sich in einem Glaskasten auch die Schlüssel für die Gleisanschlüsse. Das Bild des gefüllten Kastens täuscht jedoch. Etliche Schlüssel sind schon überflüssig geworden.
Der Rangierbetrieb wird heute von der Ilmebahnlok durchgeführt. Zeitweise werden Getreidezüge von DB-Cargo-Maschinen gefahren, die dann die Wagen über das Hafengleis durch die Stadt transportieren. Alle Güterzüge verkehren von und nach Kreiensen und bedienen hierbei auch den Bahnhof Stadtoldendorf.
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Interessant waren die Anmerkungen der Stellwerkspersonale über die Komplikationen, die das Aufteilen der ehemaligen Bundesbahn in die verschiedenen eigenständig agierenden Firmen „DB-Netz“, „DB-Service und Stationen“, „DB-Immobilien“ und andere gebracht haben. Wenn z.b. die Außenbeleuchtung ausgefallen ist muss zunächst die Zuständigkeitsfrage geklärt werden um dann auch die richtige Abteilung anzurufen. So fällt z.b. die Bahnsteigbeleuchtung in den Zuständigkeitsbereich der DB-Service u. Stationen und die Lampen im Gleisbereich gehören zu DB-Netz. Früher war für alle Elektroanlagen eine DB-eigene Werkstatt, auch „Meisterei“ genannt, zuständig. Heute muss der Stellwerker erst einmal seine Betriebsanweisung lesen um die richtige Stelle herauszufinden.
Uhrensache
Besonders
drastisch ist der Zustand, mit dem die Telefone und vor allem die Uhren auf den
Stellwerken abrechnungstechnisch betrachtet werden. So muss für jede zentral
gesteuerte Uhr an Arcor eine monatliche Miete bezahlt werden, was dazu führt,
dass die vertrauten Bahnuhren mit dem Zeigersprung nur noch auf den Bahnsteigen
und im Empfangsgebäude betrieben werden. Auf den Stellwerken in Holzminden
wollte DB-Netz nicht die monatliche Miete übernehmen und hat kurzerhand die
Bahnuhren abgebaut und durch batteriebetriebene Wanduhren eines Kafferösters
oder aus dem Baumarkt ersetzt, obwohl die nötigen Leitungen zur Mutteruhr immer
noch vorhanden sind.
Aussichten
Die
weitere Zukunft beider Stellwerke ist ungewiss, da mittelfristig der Bau eines
elektronischen Stellwerkes in Kreiensen geplant ist, welches die gesamte
Weserberglandstrecke fernsteuern könnte. Nach neuesten Informationen soll
jedoch erst einmal ein Rückbau auf die noch genutzten Gleisanlagen erfolgen.
Damit wird es eine starke Reduzierung der Signale und Weichen im gesamten
Bahnhofsbereich geben.
Für
den Nahverkehr im westfälischen Bereich sind ab Dezember 2003 Änderungen zu
erwarten. Eine Bietergemeinschaft bestehend aus der privaten NordWestBahn (NWB
Osnabrück) und der Teuteburger
Wald-Eisenbahn (TWE Gütersloh) hat nach einer Ausschreibung den Auftrag für
die Nahverkehrsleistungen für die Zeit von 2003 bis 2013 erhalten. Ob die Züge
auf der niedersächsischen Strecke weiter von DB-Regio gefahren werden, bleibt
abzuwarten.
Text:
Achim Stix u. Erich Wilde
Bilder:
Wolfgang Sckopp